von großen und von kleinen Ängsten

Jeder kennt vermutlich das Gefühl, etwas machen zu müssen, wovor man sich einfach richtig richtig fürchtet.

Wobei dieses Fürchten natürlich ganz verschiedene Formen haben kann. Der eine findet etwas einfach nur unangenehm und schiebt es darum immer wieder vor sich her oder nimmt es nur mit Nervösität und Bauchgrummeln in Angriff und der nächste schiebt schlicht und ergreifend Panik.

Das wäre dann der Punkt irreale Ängste.

Wer mich länger kennt oder schon länger hier liest weiß, dass ich lange Jahre unter massiven Ängsten und Panikattacken gelitten habe. So gab es Zeiten, in denen ich nicht einmal in der Lage war einen Supermarkt zu betreten. Von Kino, Konzerten oder anderen Großveranstaltungen will ich gar nicht reden.

Wer mich erst in den letzten Jahren kennengelernt hat kann sich das vielleicht kaum vorstellen.

Dank eines großartigen Therapeuten und einer kleinen Selbsthilfegruppe habe ich diese Probleme aber schon vor einigen Jahren hinter mich gelassen und habe mit viel Anstrengung die Kurve gekriegt. Ich kann mich seit inzwischen fast 10 Jahren als geheilt bezeichnen (im Allgemeinen liegen die Heilungschancen bei ca. 70%). Nur in ganz seltenen Momenten, wenn ich sehr gestresst bin oder einfach sehr sehr müde, dann spüre ich manchmal leichte Anflüge, weiß aber, wie ich damit umgehen muss.

Nur eine Angst ist mir geblieben. Die Angst vor dem Zahnarzt. Allerdings ist es nicht einfach die Angst, dass die Behandlung weh tun könnte oder eben unangenehm ist. Das ganze liegt leider sehr viel tiefer und ist eher eine Kombination aus verschiedenen Ängsten. Zum Beispiel davor ausgeliefert zu sein, nicht fliehen zu können und einer Brechangst. Dazu kommen erschwerend noch schlechte Erfahrungen mit Zahnärzten.

Das ganze hat zur Folge, dass ich vor über 10 Jahren einen großen Eingriff unter Narkose hatte, bei dem mit unter anderen einige Zähne gezogen und Brücken und Kronen angepasst wurden.  Und was soll ich sagen…. danach habe ich mich nie wieder in eine Zahnarztpraxis getraut.

Ich war mir immer darüber im Klaren, dass regelmäßige Zahnarztbesuche notwendig und wichtig sind. Und immer wenn ich ein eine andere Stadt gezogen bin, habe ich mich im Freundes und Bekanntenkreis auch erkundigt, wo ich einen guten Zahnarzt finde. Aber leider bekommt man da eher zu hören, zu welchem Zahnarzt man besser nicht geht.

Inzwischen zeigen sich schon deutliche Folgen der nicht erfolgten Zahnarztbesuche und es ist ziemlich offensichtlich, dass eine große Aktion notwendig wird. Den Großteil der Zähne zu ziehen lässt sich wohl kaum mehr verhindern und ich denke für Brücken oder ähnliches ist keine Grundlage mehr da. Dazu stell ich mir die Frage, ob ein einfaches hübsches Gebiss im Vergleich zu Implantaten und dem damit verbundenen Aufwand nicht die einfachere und kostengünstigere Variante ist. Trotzdem steht vor allem erstmal der Schweinehund.

Nun habe ich mir ein paar Empfehlungen eingeholt und verschiedene Zahnärzte angemailt um ihnen die Situation zu schildern, nach Behandlungsstrategien zu fragen und zu klären, ob es möglich ist, zuerst einen Kennenlerntermin zu vereinbaren. Immerhin sollte der Folterknecht wenigstens symphatisch sein und den Eindruck vermitteln, dass er mich und meine unbändige Angst ernst nimmt.

Einige haben irgendwie ziemlich blöd geantwortet. Aber eine war sehr lieb und verständig. Und dort habe ich nun am Freitag einen Termin. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie mir schon beim Schreiben die Hände vor Angst triefen.

Wenn ich also nicht bis Freitag vor Angst gestorben bin brauche ich also viele gedrückte Daumen und gute Gedanken. Und vielleicht fallen Euch gerade spontan gute Zahnarztgeschichten ein die ihr mir erzählen mögt? *liebguck*

Darf ich bitten?

Wie naiv kann ich sein, dass ich glaube, wenn alles sortiert ist und ich in meiner neuen Wohnung bin Ruhe einkehrt und ich ein langweiliges Jedermannsleben führen kann.

Und wie kann es sein, dass die Vergangenheit so schnell ist, dass sie mich selbst nach 10 Jahren immer wieder einholt, sich ins Fäustchen kichert und mir ein Bein stellt??

Wie kann einen die Tatsache, dass man in einen Verlierer verliebt war und ihn geheiratet hat selber immer wieder zum Verlierer machen??

Seine Firma stand kurz vor der Insolvenz und weil ich aus lauter Naivität und durch die rosarote Brille sein Elternhaus retten wollte, habe ich das Haus – seinerzeit seines – gekauft damit es nicht versteigert werden muss. Gut, es war damals unser Zuhause, aber eigentlich für mich ohne Bedeutung. Ich glaube ich werde mich nie wieder so an etwas materiellem festbeissen wie es damals der Fall war. Natürlich wäre es damals, vor allem für ihn, eine Katastrophe gewesen wenn er das Haus verloren hätte.

Bei genauerer Betrachtung hat das trotzdem.

Und ich habe die Hütte am Hals. Vor sechs Jahren hätten wir es gerne verkauft, aber der Markt war am Boden und da es ein relativ großes Wohn- und Geschäftshaus ist ist es für den „normalen“ Hauskäufer, der ein nettes Einfamilienhaus mit kleinem Garten sucht, nicht geeignet. Dann fanden sich Mieter. Gute Mieter! Zum Glück!

In den letzten Jahren habe ich immer mal wieder versucht, das Haus zu verkaufen, aber ich gebe zu es waren halbherzige Versuche. Es lief ja alles und ich hatte ausreichende andere Katastrophen zu bewältigen. Die Mieter waren drin, zahlten pünktlich und kümmerten sich um das Haus als wäre es ihr eigenes.

Nun ziehen sie aus! Gestern war die Kündigung im Briefkasten. Am liebsten würden sie schon in zwei Monaten ausziehen, aber das kann ich keinesfalls zulassen.

Und was ist die Konsequenz? Eine existenzielle Katastrophe!!! Wenn sich nicht innerhalb von drei Monaten ein Käufer findet, oder zur Not ein guter Mieter, dann habe ich ein riesiges Problem. Ein unbeschreiblich großes Problem!!

Das Schicksal bittet erneut zum Tanz, wie schon so oft…  oder eigentlich immer…  langsam tun mir die Füße weh…

Und während ich mir das Hirn zermartere, wie ich diese finanzielle Katastrophe bewältigen kann und was ich jetzt als nächste Schritte tun kann um sie vielleicht noch abzuwenden schleicht sich in meinem Hinterkopf ein neuer Gedanke ein.

Wie kann ich zulassen mich zu verlieben und einen anderen Menschen in mein Leben lassen wenn ich keine Sicherheit bieten kann und vor allem wenn Liebe so nachtragend ist und so bittere Früchte tragen kann.  

Die nächsten Wochen beschäftige ich mich also in erster Linie – eigentlich wie immer – mit Schadenbegrenzung und versuche einmal mehr den Phönix aus der Asche zu spielen.

Bisher bin ich immer irgendwie auf die Füße gefallen…..  keine Ahnung wie…..  aber irgendwann wird es wohl ein Bauchklatscher. Und von diesem würde ich verdammt lange was haben und er würde mir das Rückrat brechen.

Habt Ihr gerade ein paar Daumen zum drücken frei??

Angstfrei leben

Wenn ich so zurück blicke, was ich in den letzten Tagen häufiger tue, dann staune ich darüber, was für Dinge ich heute machen kann, die ich mir vor Jahren nicht mal hätte träumen lassen.

Es ist erschreckend festzustellen wie sehr man in sich selbst gefangen sein kann. Und wie sehr Angst fesseln kann.

Wer hier intensiver gelesen hat weiß vielleicht schon, dass ich viele Jahre an einer Angststörung gelitten habe. Nur durch Zufall und viel Feingefühl wurde irgendwann die Diagnose gestellt und ich konnte neue Wege beschreiten um zu lernen diese Angst zu bekämpfen.

Zeitweise war es so schlimm, dass ich nicht mal in der Lage war einkaufen zu gehen. Und trotzdem hat in meinem Umfeld niemand gemerkt, was eigentlich los war. Angstpatienten sind fantastische Schauspieler!!

Spontane Unternehmungen waren praktisch gar nicht möglich. Ich brauchte für alles wenigstens zwei Tage um mich seelisch darauf vorzubereiten. Und wenn mir vor zehn Jahren jemand gesagt hätte ich sollte nach Berlin fahren…. OMG…  völlig undenkbar. Kino?? Ging gar nicht!! Essen gehen?? Nur an guten Tagen. Extremshopping?? Undenkbar!! Jeder Weg nach draußen war unermesslicher Stress. Schon wegen der Angst vor der Angst.

Wenn ich heute unterwegs bin und viele Dinge zum ersten Mal mache, dann denke ich oft daran, wie schrecklich ich das alles früher gefunden hätte. Gleichezeitig beobachte ich die Menschen um mich herum bewußter. Oft registriere ich im Supermarkt Menschen, die ähnliche Verhaltensweisen an den Tag legen wie ich früher… denen ich anzusehen glaube, dass sie ein ähnliches Problem haben wie ich früher. Und denen ich gerne sagen möchte: Mach was!! Nehm Dein Schicksal in die Hand und kämpfe dagegen an. Es ist es wert!!

Auf der anderen Seite bin ich oft dankbar, dass ich diese Krankheit in einem Umfeld hatte in dem es mehr Ausweichmöglichkeiten gab.

Mit dieser Krankheit z.B. in Berlin zu leben stelle ich mir um ein vielfaches schlimmer vor, als da wo ich aufgewachsen bin. Auf der anderen Seite hätte ich den Kampf gegen die Krankheit vielleicht eher aufgenommen….  aufnehmen müssen. Eine Panikattake in der S- oder U-Bahn wäre die Hölle gewesen.

Und dann erfüllt mich unendliche Dankbarkeit, dass ich all das heute machen kann. Dass ich unglaublich viele Dinge zum ersten Mal gemacht habe ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ich vor irgendetwas Angst haben müsste. Wobei die Ängste die Angstpatienten haben in der Regel ja irreale Ängste sind.

Die Funktion, die einem Angst vermittelt ist ja durchaus sinnvoll. Schwierig wird es, wenn diese Angst ausgelöst wird obwohl es keine Gefahr gibt. Wobei wir hier Todesangst reden. Von Panik, Schweißausbrüchen und einem fast unbezwingbaren Fluchreflex. Diese Ängste hatte ich 16 (!) Jahre lang… mit 16 fing es an…  mal mehr mal weniger… meistens mehr… 

Ich kann nur jedem raten, der diese Ängste in mehr oder minder schwerer Stärke jemals erlebt hat, tut etwas dagegen. Das Leben kann sooooo schön sein wenn man unbeschwert durch das Leben geht… 

Und eigentlich ist es ganz einfach…  und es gibt keinen Grund für Angst vor dem angstfreien Leben!!