Die Nacht senkt sich über die Stadt. Was machst Du gerade? Sitzt Du auf einer Wolke während wir uns das Hirn zermartern?
Während ich am Sonntag mit Deinem Vater und Deiner Schwester in Deiner Wohnung war kamen viele Erinnerungen hoch. Die beiden waren so lieb. Dein Vater hat mich hundert Mal gedrückt und mir ein Erinnerungsstück nach dem anderen ins Auto getragen. Hätte ich das Auto nicht zu gemacht hätte er noch mehr reingelegt. Ich musste ihm versprechen, dass ich ihn besuchen werde.
Ich hatte Dich damals schon ein paar Monate regelmäßig in unserer Stammkneipe gesehen. Du warst sehr ruhig und zurückhaltend, saßt immer auf dem gleichen Platz an der Theke mit direktem Blick auf die Eingangstür. Du rührtest Dich den ganzen Abend nicht von dem Platz weg. Und jeder der etwas von Dir wollte ging selbstverständlich zu Dir.
Vier Monate später lernten wir uns zufällig kennen. Eigentlich wollte ich an dem Tag meinen Geburtstag feiern. Aber ein Bekannter meines damaligen Freundes feierte am gleichen Tag. Also verschob ich meine Feier und alle gingen zu dem Bekannten. Er hatte das komplette Wohnzimmer mit Matratzen ausgelegt und alle lümmelten sich irgendwo hin. Irgendwann kamen wir ins Gespräch. Er war der 28.10.1988, ich war 17 Jahre und einen Tag alt. Du fandest das sehr lustig und wolltest es nicht glauben, bis ich Dir meinen Perso zeigte.
Zu späterer Stunde war mein Freund betrunken und ich wurde müde. Ich lag auf einer der Matratzen und döste vor mich hin, auf der einen Seite saß mein Freund und unterhielt sich, auf der anderen Seite lagst Du neben mir und streicheltest mein Gesicht. Ich begreife heute noch nicht, warum mein Freund Dir keins auf die Finger gab.
Du hattest versprochen eine Woche später auf meine Party zu kommen… und hast Dich nicht getraut. Dabei hatte ich Dir sogar drei Tage nach unserem Kennenlernen zum Geburtstag gratuliert. Später hab ich Dich dafür ordentlich rund gemacht. Es dauerte noch fast ein Jahr, in dem wir regelmäßig Musikcassetten tauschten, alleine im Wagen meines Freundes Musik hörten, bis alles klar war.
Eigentlich war ich immer noch mit meinem Freund zusammen. Aber der hatte nix besseres zu tun als drei Wochen alleine nach Portugal zu fahren. Wir gingen zusammen aus. Im Dorf war ein Fest, wir waren auf dem Rummel, später als es abkühlte legtest Du mir Deine Jacke um die Schulter. Später erfuhren wir, dass die Eltern meines damaligen Freundes das gesehen hatten und ein paar Tage später ebenfalls nach Portugal flogen. In dem Moment war alles klar, wir gehörten zusammen.
Nach einem Jahr und einer kurzen Trennung kam die gemeinsame Wohnung. Es gab Höhen und Tiefen, wie in jeder Partnerschaft. Aber wir haben nie den Respekt voreinander verloren. Auch nicht, als ich erwachsen geworden war und nach 5 Jahren die Trennung wollte. Anfangs wolltest Du es nicht akzeptieren, aber Du hattest keine andere Wahl. Nachdem wir beide alleine in andere Wohnungen gezogen waren, konnte ich trotzdem jederzeit auf Deine Hilfe zählen.
Dann lerntest Du eine andere kennen, wir verloren uns aus den Augen. Aber regelmäßig fanden wir uns irgendwo im Internet und telefonierten. Zwölf Jahre später standen wir uns zum ersten Mal wieder gegenüber. Du hattest Dich von Deiner Freundin getrennt, ich war gerade dabei meine Trennung vorzubereiten.
Wir konnten reden als wäre kein Tag vergangen seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Waren genauso vertraut miteinander wie wir es immer waren. Haben uns geholfen, viel geredet und eine kleine Weile hätte es vielleicht wieder mehr werden können. Aber irgendwie wollten wir es beide nicht. Wir hatten uns zu unterschiedlich weiterentwickelt. So wurde es eine wunderbare vertraute Freundschaft mit tiefen Gesprächen und gegenseitiger Hilfe.
Nun halte ich all die Dinge in Händen, die Du damals von mir bekommen hast. Das silberne Armband mit dem eingravierten Namen. Mein erstes Geburtstagsgeschenk an Dich als wir ein Paar waren. Die Kette mit dem Skorpion, die Kette mit dem Namensanhänger, die Kette mit Deinem Namen die ich damals trug. Die Briefe die ich Dir geschrieben habe als wir kurzeitig getrennt waren. Ich wußte gar nicht, dass wir soviel geschrieben haben. Alles hattest Du aufbewahrt, genau wie ich, und alles lag obenauf in Deinem Schrank. Warum nur?
Es gab so viele schöne Momente in unserem Leben. Damals wie heute. Letztes Jahr Berlin, die Weltreise die Du mir so lange versprochen hattest und zu der Du mit mir nach Arnheim in den Zoo gefahren warst. Und wir hatten so viele Pläne. Du wolltest mir Paris zeigen und London. Wir wollten so viel entdecken. Nochmal nach Arnheim in den Zoo, Silvester feiern, wie die letzten Jahre. Wir wollten nach Amsterdam, nach Wien… Du wolltest nochmal nach Amerika
Ich hoffe Du schaust tatsächlich von irgendwo auf uns herunter und es geht Dir gut!!!
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