Nachdem ich heute etwas länger geschlafen habe, habe ich mich seelisch auf das Vorstellungsgespräch mit Frau B. vorbereitet. Zugegebenermaßen liefen die Vorbereitungen anders als bei allen anderen Vorstellungsgesprächen. Wenn ich gewußt hätte, wie einfach es sei kann Arbeit zu finden, hätte ich mir manchen Aufwand sparen können *lach*
Engegen meiner üblichen Gewohnheit habe ich sowohl die trutschige, langweilige, elegante, brave schwarze Hose im Schrank gelassen. Ebenso das – von Mutti geerbte – noch langweiligere seriöse Twin-Set. Statt dessen habe ich die alltagserprobte Jeansröhre, Lederstiefel, ein stinknormales Shirt und die Wildlederjacke mit Pelzkragen angezogen. Sonst hätte mich M. beim anschließenden Einkaufsbummel wohlmöglich gar nicht erkannt *g*. Bei der telefonischen Terminvereinbarung war noch um die Vorlage einer Bewerbungsmappe gebeten worden, die hatten zwar alle Unterlagen schon, aber eben „nur“ per Mail, wie in der Stellenausschreibung gewünscht. Da alle guten Mappen gerade bei potentiellen zukünftigen Arbeitgebern herumliegen hab ich die letzte Mappe geschnappt. Sie ist angeknickt, abgegrabbelt und angefleddert, aber offenbar spielt auch sowas heute eine untergeordnete Rolle.
Wenn ich Personaldisponent wäre – also so rein hypothetisch – dann würde ich mich nach vielem erkundigen, zum Beispiel danach, was der Bewerber vorher so gemacht hat, warum er arbeitslos ist, und in meinem Fall vor allem, warum ich von meinem letzten Arbeitgeber kein Zeugnis vorlegen kann. Das ist so allgemein üblich und von unzähligen Vorstellungsgesprächen meines Lebens sind eigentlich alle so abgelaufen.
Heute war das anders *g* und es hat auch nicht allzu lange gedauert.
Wie gewohnt war ich 5 – 10 Minuten vor dem vereinbarten Termin in den Räumen des Personaldienstleisters aufgetaucht, lehnte freundlich den angebotenen Kaffee ab und bestand darauf, meine Jacke nicht ablegen zu wollen.
Kurze Zeit später tauchte eine Frau V. auf, die mich in die heiligen Hallen der Frau B. führte, mir einen Stuhl anbot und neben Frau B. Platz nahm.
Frau B: Guten Tag, meine Name ist Frau B. Sie haben sich bei uns als Personaldisponentin beworben.
T: Ja richtig. (und nun sagst Du gleich, dass die Job schon weg ist?!?*)
Frau B: Was denken Sie denn, was die Aufgaben einer Personaldisponentin sind?
T: Die Aquirierung von Kunden, die Leihmitarbeiter brauchen und die Einstellung der passenden externen Mitarbeiter, die an die Firmen vermittelt werden können.
Frau B: Oh, das ist richtig! Aber Leiharbeiter ist so ein böses Wort, das klingt ja wie Sklavenhandel! Haben Sie in dem Bereich schon einmal gearbeitet?
T: Nein (und wenn Du meinen Lebenslauf gelesen hättest wüßte Du das!! Und es ist Sklavenhandel!!)
Frau B: Ach, das klang fast so. Sie kennen ja sogar schon Fachbegriffe aus unserer Branche wie „Externe Mitarbeiter“
T: Öhm ja (das hab ich von Euren ehemaligen Mitarbeitern gelernt, die sich im Internet über Euch auskotzen)
Frau B: Welche Firmen würden Sie den z.B. in Bremen und Bremerhaven ansprechen? Und woher erfahren Sie, dass diese Firmen Mitarbeiter brauchen?
T: blablablabl (Nennt Firmen und Aquisemöglichkeiten)
Frau B: Ja also, die Arbeitszeiten wären von 8 – 17 Uhr. Überstunden kommen eigentlich selten vor und natürlich hätten Sie ein Diensthandy, falls Auftraggeber am Wochenende oder nach Feierabend Mitarbeiter brauchen, aber das kommt natürlich praktisch gar nicht vor.
T: soso (Ja neeee is klar…. Überstunden kommen bestimmt niiiiieeee vor. Warum dann ein Handy?)
Das Handy von Frau B. klingelt, sie geht mal eben in den nächsten Raum. Die Gelegenheit nutzt Frau V. um auch einmal was zu sagen
Frau V: Haben Sie den schon mal auf unsere Homepage geschaut.
T: Ja, wenn man XXX Personaldienstleistungen als Suchbegriff eingibt, kommen ja fast alle Stellenbörsen auf denen Werbung von ihnen ist (und genauso viele Treffer von Leuten, die Euch die Pest an den Hals wünschen)
Frau V: Ja richtig!!
Frau B. kommt zurück.
Frau B: Haben Sie denn schon mal auf unsere Homepage geschaut?
Frau V: (kichernd) Das hab ich gerade schon gefragt.
Frau V: Wir sind ja sehr zuvorkommen zu unseren Mitarbeitern. Unsere Mitarbeiter sind ja unser Kapital und wir wollen ja, dass sich die externen Mitarbeiter bei uns wohl fühlen. Wenn sie sich nicht wohl fühlen arbeiten sie auch nicht richtig!!
T: ja das ist wohl richtig (Klar und ich wette 95% Eurer Mitarbeiter würden bei diesem Satz anfangen hysterisch zu lachen wenn sie das hören!!)
Frau B: Ja also, wir würden dann ein 14tägiges Praktikum machen, in dem Sie natürlich noch keinen Arbeitsvertrag haben. Aber natürlich machen wir so ein Praktikum nur, wenn wir uns schon für eine Person entschieden haben)
T: (Ja neee is klar)
Frau B: Das bezahlt ja dann das Arbeitsamt!! Haben Sie noch Fragen?
T: Ja, ich wüßte gerne, was für ein Gehalt Ihnen vorschwebt!!
Frau B: Ja Sie hatten ja auch keinen Gehaltswunsch in der Bewerbung genannt! Was wären denn Ihre Vorstellungen?
T: Also verschlechtern möchte ich mich ja keinesfalls im Vergleich zu meinem bisherigen Einkommen. (Lieber hochpokern!) Also 2.400 Euro brutto müssten es schon sein.
Frau B. entgleiten für einen Sekundenbruchteil die Gesichtszüge
Frau B: Ja aber ja nicht während der Probezeit oder? Wir müssen ja erst eine Personaldisponentin aus Ihnen machen!
T: Sie fordern sicher trotzdem auch in der Probezeit vollen Einsatz. Und ich fordere dafür volles Gehalt!!
Frau B: Der Arbeitsvertrag wäre dann erstmal befristet. Wir haben ja auch schon schlechte Erfahrungen gemacht. Also wären das erstmal zweimal einjährige Befristungen und dann wird daraus ein unbefristeter. Achja und es gibt 25 Urlaubstage. Keinen mehr und keinen weniger. Aber den nimmt man am besten nicht im Sommer!!
Frau B. lacht über Ihren Witz.
T: Das habe ich schon so erwartet (Hat bei Euch schon mal jemand den Vertrag verlängert??)
Frau B: Ja, dann rufen Sie mich doch bitte morgen früh an und sagen mir, ob Sie Interesse haben.
Tja, Frau B und Frau V. Ich fürchte ich werde Euch nicht anrufen. Ich weiß, dass in Eurem Arbeitsvertrag allenfalls 1.600 Euro stehen werden, wenn ich denn das Praktikum hinter mir habe. Außerdem habe ich einen fatalen Fehler. Ich habe ein Gewissen und bin nicht dazu geboren, die Menschen, die in der Hoffnung zu mir kommen, selber für Ihren Lebensunterhalt sorgen zu können zu verarschen und zu bescheißen. Ich weiß nämlich, wie es ist, wenn man in der Scheiße sitzt. Und ich könnte nicht schlafen, wenn ich weiß, dass ich jemanden belüge und betrüge, nur damit die Firma, die mich in einem halben Jahr eh vor die Tür setzt, möglichst viel Gewinn macht…. ich habe ein Gewissen, und dass soll so gut bleiben wie es ist!!!!!!!!!!
Aber die Fahrt nach OL hat sich trotzdem gelohnt. Es gab einen Einkaufsbummel im Schneetreiben, zwei coole Kochbuchschnäppchen und einen gemütlichen Kaffee mit M. Wenn man denn mal dahin kommt, muss man das ja ausnutzen *g*
* Kursiv in Klammer Feuerengels gedachte Kommentare *g*